Ach Du dickes Ei! Selten gab es um ein Ei so viel Aufregung: Es geht um ein Ei, das die Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ins Netz gelegt hat und das dort einen veritablen Shitstorm entfacht hat. Die DGE hat dieses Ei – nichts Böses ahnend und in bester Absicht – in die Aktualisierung ihrer lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen gelegt. Nach deren Veröffentlichung ist die ‚Eier’granate ruck-zuck losgegangen.

Der Kern der neuen Empfehlungen ist schnell zusammengefasst: Fleisch (maximal 300g /Woche) – etwa die Hälfte der bisherigen Empfehlung, Milch und Milchprodukte (max. 400 Gramm/Tag ), 5 x Gemüse am Tag (550g /Tag) und viele Hülsenfrüchte (mind. 125 g/Woche – fast dreimal so viel wie derzeit), auf Süßigkeiten und Fette weitgehend verzichten, sehr viel Wasser trinken. Und schließlich die Empfehlung: Nur noch ein Ei pro Woche – statt bisher drei. Es soll hier nun nicht weiter um Sinn oder Unsinn der Empfehlungen gehen, sondern um den GAU, der auf die Veröffentlichung in Medien und bei Verbrauchern folgte. Von den 20.000 Zeichen zur Erklärung der neuen Empfehlungen auf der DGE-Website, haben sich die Medien genau zwei für ihre Headlines herausgesucht: Das eine ‚Ei‘. Nur ein Ei pro Woche? Das hat die Seele der Netznutzer zum Kochen gebracht.

Der Instagram-Post der Tagesschau dazu führt die Hitliste der Likes (136.000) und Kommentare (knapp 3000) an.  Zdf-heute folgt mit knapp 40.000 Likes und etwa 2000 Kommentaren, die ZEIT dicht dahinter mit 33.000 Likes und ca. 1500 Kommentaren – und das ist nur die Spitze des Ei-bergs. Geschätzt vier Fünftel der Kommentare fühlen sich bevormundet, gegängelt und lassen ihren Unmut bevorzugt am Eier- und Fleischthema aus („Mir schreibt auch in Zukunft niemand vor, wieviel Eier und Fleisch ich essen darf!“ „Schwachsinn!“ „Liebe DGE, ich glaube euch fehlt Cholin aus Eiern, da ihr scheinbar nicht mehr klar denken könnt“) Geschätzt ein Fünftel kriegt sich vor Freude über den großen Schritt in Richtung nachhaltige, gesunde, vegetarische oder gar vegane Ernährung kaum noch ein. Beide Parteien hauen sich die ‘Argumente’ mit z. T. wüsten Beschimpfungen um die Ohren. Da werden Erinnerungen an den Veggie-Day wach, der eine gute Idee war, aber bekanntlich ebenfalls krachend in die Grütze ging. Während das Netz also tobt, fällt der DGE nichts Besseres ein, als sich wegzuducken. Zumindest hat man nun knapp eine Woche nach der Explosion des Eis noch wenig bis nichts gehört, was zur Klärung der Sache beitragen könnte.

Tatsächlich ist der ganze Vorfall zunächst einmal und vor allem anderen Folge eines unglaublichen Kommunikationsdesasters seitens der DGE. Die DGE macht nicht erst seit gestern Öffentlichkeitsarbeit – man würde dort Profis erwarten. Die müssten in einem solchen Fall wissen, dass man „nicht beeinflussen kann, welche Aspekte aus einer Pressemeldung von den Medien herausgegriffen werden oder wie sie grafisch dargestellt werden.“ meint Verena Franke, Diätassistentin, Oecotrophologin und Kommunikationsexpertin (..die u.a. Unternehmen aus der Ernährungs- und Lebensmittelbranche berät). Man hätte allerdings sehr wohl wissen können, dass es immer einen „Worst Case“ geben kann, und dass man sich auf den vorbereiten kann. Verena Franke bringt die Ursachen des DGE-Kommunikationsflops in einem aktuellen Instagrampost auf den Punkt: • Für den Shitstorm verantwortlich ist weniger das ‚Ei des Anstoßes‘ bzw. der Inhalt der Empfehlungen als die stümperhafte Kommunikation der DGE • die DGE hätte proaktiv handeln müssen – hat sie aber nicht • Die DGE hat versäumt, die eigene Präsenz in Social Media zur unmittelbaren Reaktion zu nutzen • Community Manager hätten an diesem Tag aktiv sein müssen und auf entsprechende Ressourcen in den Kommentaren verweisen können – was aber nicht passiert ist.

Schlimm ist das Ganze auch für alle, die mit den Empfehlungen der DGE arbeiten müssen:  Vor allem qualifizierte Ernährungsfachkräfte müssen das ausbaden: Sie werden immer und immer wieder erklären müssen, dass es sich nicht um Vorschriften handelt, sondern um Empfehlungen – und auch, warum diese Empfehlungen derart praxisfern sind. Dumm gelaufen, liebe DGE.