Hunger und Lust: Uwe Knop kreiert in seinem gleichnamigen Buch eine Reihe wohlklingender Begriffe, bleibt sich und dem Leser aber jegliche Definitionen schuldig. Damit entzieht er seinen Thesen jede Grundlage. Ein Beispiel: „Echtes Essen“ und „echte Esser“ – um diese Begriffe redet er seitenweise herum, ohne dass der Leser schlau daraus würde. Was soll das Adjektiv „echt“ vor dem Essen? Was meint er damit?  Meint er „richtig“, „authentisch“, „ungekünstelt“ – oder ganz etwas anderes oder alles zusammen? Warum benutzt er dieses unklare Allerwelts-Adjektiv, für das Woxikon 315 Synonyme in 27 Bedeutungsgruppen findet.  „Richtig“ hat etwas mit Bewertung durch den Verstand zu tun, und den scheut Knop im Zusammenhang mit dem Essen bekanntlich wie der Teufel das Weihwasser. „Richtige“ Ernährung gibt es bei der DGE, und das geht für Uwe Knop gar nicht. Der Begriff „echtes“ Essen impliziert, dass es ein Gegenteil davon gibt. Handelt es sich dabei um „unechtes“, „falsches“, „gekünsteltes“ Essen – oder etwas völlig anderes? Wo hört falsches – unechtes Essen auf, wo fängt echtes Essen an? Wie unterscheide ich im Essalltag „echtes“ vom „falschen“ Essen? Bei Gegenständen – Kunst, Gold, Metallen z.B. – lässt sich die Echtheit prüfen. Doch was ist beim Tun und Handeln Echtheit und wie lässt sie sich identifizieren? Ich esse nicht nach Ernährungsregeln, beziehe allerdings mein Ernährungswissen in mein Essverhalten ein. Muss ich dieses Wissen amputieren, um ein echter Esser zu sein? Mein Nachbar mit BMI 35 und metabolischem Syndrom behauptet, bis zum Ausbruch der Krankheit immer echter Esser gewesen zu sein. Wer ist denn nun der echte Esser – er oder ich – mit Stoffwechselgesundheit (noch jedenfalls) und BMI 26? Bin ich schon ein echter Esser, wenn ich nur fest daran glaube, ein echter Esser zu sein? Wie stellt ein Arzt fest, wer ein echter Esser ist?

Darauf gibt es bei Knop keine Antworten. So darf sich jeder Gierschlund nach Lektüre der Knop‘schen Thesen ganz stolz für einen „echter“ Esser halten. Wenn Aufforderung zum Ernährungsfehlverhalten strafbar wäre, müsste Knop dafür in den Knast. Statt mit klaren Antworten versorgt er den Leser mit einer endlosen Ansammlung schlauer Sprüche und Floskeln. „Du isst, was Du bist. Das ist echtes Essen, das von Gefühlen geleitet wird – nicht vom Verstand.“ Wie bitte? Hat der Autor das wirklich mal konsequent durchdacht? Das ist verschwurbeltes Geblubber! Das Darmhirn, meint Knop, „denkt, fühlt und handelt selbstständig und völlig unabhängig.“ Wie merkt man beim Komapatienten, dass das Darmhirn denkt, fühlt und handelt? Diese Frage ist nicht abstruser als die Behauptung von Knop, auf die sie sich bezieht.

Es wimmelt in diesem Buch nur so von ungenauen Bildern und überzogenen Metaphern, die viele Leser vermutlich für bare Münze halten – wohlklingende Worthülsen mit wenig Inhalt. Hier überschreitet Knop die Grenze dessen, was populärwissenschaftliche Darstellung darf. Knop kommt nicht aus dem Wissenschaftsjournalismus. Dort hätte er gelernt, dass es auf die Bedeutung der Wörter und die möglichst große Genauigkeit und Klarheit bei ihrer Verwendung ankommt. Knop kommt aus der PR – und arbeitet nach wie vor in einer Agentur. Das ist nicht verwerflich – aber: seinem Stil merkt man die Prägung durch die PR-Schreibe deutlich an. So ließe sich auch sein zentraler Begriff vom „echten“ Hunger und vieles mehr in diesem Buch auseinandernehmen. Das wäre allerdings zu viel für diesen späten Abend. Zur guten Nacht noch eine letzte Frage (für heute) an Uwe Knop: Muss man, um ein „echter“ Schreiber zu sein, auch komplett den Verstand verlieren?