Willkommen in Absurdistan: Weltweit hungern den Schätzungen der WHO zufolge noch immer etwa 800 Millionen Menschen. Weit mehr Menschen nehmen Nahrung im Überfluß zu sich. Den Hungernden stehen zwei Milliarden Übergewichtige weltweit gegenüber, davon etwa die Hälfte – knapp eine Milliarde – mit krankhaftem Übergewicht (Adipositas). Das sind die schockierenden Zahlen aus einer aktuellen, jüngst im renommierten Wissenschaftsjournal „Lancet“ veröffentlichten Studie – erschienen pünktlich zum Welt-Adipositas-Tag, der am 04. März wie so oft vergangen ist, ohne große Spuren zu hinterlassen.

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Der Studie zufolge ist die Zahl der Menschen mit  Adipositas seit Anfang der 90er Jahre rasant gestiegen. Ihr Anteil an der Weltbevölkerung insgesamt hat sich demnach seit 1990 mehr als verdoppelt, unter Heranwachsenden zwischen 5 und 19 Jahren sogar vervierfacht. Insgesamt waren zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Jahr 2022 knapp 900 Millionen Erwachsene und 159 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 19 Jahren adipös.  Bei Erwachsenen verdoppelte sich der Anteil bei Frauen seit 1990 auf 18,5 Prozent und verdreifachte sich bei Männern auf 14 Prozent.

Wie befreit man die Menschheit von der Geisel des Hungers und erlöst sie von dem Übel der Fettleibigkeit? Zuerst kommt das Fressen und dann die Moral: Das Mitleid der Dicken mit den Hungernden angesichts der  Bilder und Berichte von Leid und Elend hungernder Menschen in den elektronischen Medien lässt sich doch immer wieder schnell mit einer Tüte Chips und einer Flasche Bier besänftigen. Dabei könnte die Lösung zumindest rein rechnerisch so einfach sein. Nach Schätzungen der UN-Welthungerhilfe würden zur Ernährung der ca. 800 Millionen Hungernden auf dieser Welt jährlich ca. 40 Milliarden Dollar gebraucht. Alleine in Deutschland belaufen sich die durch Übergewicht und seine Folgen verursachten volkswirtschaftlichen Kosten auf derzeit schätzungsweise 110 Milliarden Euro pro Jahr – mit steigender Tendenz. In Deutschland sind nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts insgesamt 53,5 % der Bevölkerung (46,6 % der Frauen und 60,5 % der Männer) von Übergewicht (einschließlich Adipositas) betroffen – entsprechend knapp 40 Millionen Menschen. Wenn es gelänge, die Zahl der Betroffenen zu halbieren, könnte alleine mit den in Deutschland gesparten 60 Milliarden verhindert werden, dass noch irgendwo Menschen an Hunger sterben (…ok – das ist eine Milchmädchenrechnung, die natürlich so 1:1 nicht aufgeht, die aber ein Licht auf die finanziellen Dimensionen wirft, um die es hier geht).

Klar ist: Übergewicht (incl. Adipositas) verursacht weltweit ein Vielfaches der Kosten, die es für eine dauerhafte Rettung der Hungernden vor dem Hungertod braucht. Die halbherzigen Versuche der vergangenen 50 Jahre, der Pandemie des Übergewichts (..die sich weltweit weiter ausbreitet) und der Epidemie des Hungers Herr zu werden, sind gescheitert – oder hat man z.B. jemals wieder etwas von der 2006 verabschiedeten “Europäischen Charta zur Bekämpfung der Adipositas” gehört? Erfolgversprechende Lösungen für die Zukunft sind auch an diesem Welt-Adipositas-Tag nirgends in Sicht.