Wollt Ihr die totale Überwachung? Viele wollen sie. Auch Versicherungen sind der totalen Überwachung nicht abgeneigt – z. B. wenn es um unser Ernährungs- und Gesundheitsverhalten geht. Die ersten großen Versicherer sind schon längst auf dem Weg dorthin. Wie die Süddeutsche Zeitung aktuell berichtet, setzt die Generali-Gruppe als erster großer Versicherer in Europa künftig auf die elektronische Kontrolle von Fitness, Ernährung und Lebensstil. Kunden, die gesund leben und sich brav verhalten, werden Gutscheine und Rabatte bei den Prämien gewährt. Überprüft wird das mit einer App, die der Generali regelmäßig Daten zum Lebensstil übermittelt.

Das Kalkül dabei: Wer gesund lebt, kostet den Krankenversicherern weniger Geld. Im Gegenzug erhalten willige Verbraucher Vergünstigungen. Die neuen Angebote sollen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten auch in Deutschland erhältlich sein. Deutsche Versicherungskonzerne wie Allianz und Axa sollen an ähnlichen Projekten. Damit hält „Big Data“ Einzug in den sensiblen, intimen Bereich der persönlichen gesundheitlichen Daten. Der gläserne Patient rückt näher – und damit auch die Gefahr von Kontrolle, Bevormundung und Gängelung. Noch wird mit dem Gegenteil – der Belohnung geworben. Wie es aussehen könnte, wenn das ins Gegenteil umschlägt, hat die Schriftstellerin Juli Zeh bereits vor fünf Jahren in ihrem Roman „Corpus Delicti“ visionär beschrieben – für mich war das Anlass für eine Besprechung hier im tellerrand.

Ort der Handlung des Romans ist ein zur Gesundheitsdiktatur mutierter Staat der Zukunft. „Gesundheit führt über die Vollendung des Einzelnen zur Vollkommenheit des gesellschaftlichen Zusammenseins. Gesundheit ist das Ziel des natürlichen Lebenswillens und deshalb natürliches Ziel von Gesellschaft, Recht und Politik. Ein Mensch, der nicht nach Gesundheit strebt, wird nicht krank, sondern ist es schon.“ Mit diesen Sätzen zitiert Zeh im Vorwort den (fiktiven) Autor Heinrich Kramer aus seinem Werk „Gesundheit als Prinzip staatlicher Legitimation“. Was 2009 Juli Zehs Vision war, ist jetzt schon Realität. Ob der von Zeh beschriebene staatliche Missbrauch der Daten Fiktion bleiben wird? Hoffen wir’s – wir glauben ja noch an das Gute Ich zumindest empfehle jedem, der an den Erwerb der Generali-App denkt, ganz eindringlich zuvor die Lektüre von Corpus Delicti!

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