Die Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FET) e.V. hat die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, deren Ziel es war, „das Stimmungsbild der Branche abzubilden und herauszufinden, mit welchen Herausforderungen Ernährungsfachkräfte in der täglichen Praxis zu kämpfen haben.“ Die Teilnehmer der Umfrage wurden über eine Pressemitteilung rekrutiert. Immerhin 212 Personen haben sich beteiligt. Das Ergebnis ist erschütternd. Auch wenn es tatsächlich weit davon entfernt ist, in irgendeiner Form repräsentativ zu sein, sollte es sowohl den Institutionen und Verbänden der Ernährungsfachkräfte als auch jedem einzelnen im Berufsfeld zu denken geben.
Allerdings: Schon die Art der Fragestellung war zumindest teilweise eher darauf angelegt, die Teilnehmer zum ‚Dampf ablassen‘ zu animieren (Frage: “Was kotzt Sie in der Branche so richtig an?“). Das klingt nach gezielter Provokation – und genau das darf man dem FET wohl als Absicht dieser Umfrage unterstellen. Das könnte man nun als wenig seriös aburteilen. Man kann es aber auch so interpretieren, wie es gemeint ist: als Stimmungsbarometer, dessen Ergebnisse man als Anlass für politische (Verbände) und persönliche (Fachkräfte) Schlussfolgerungen nutzen kann. Der öffentlichen Umfrage des FET war eine Mitgliederbefragung vorausgegangen, an der sich 101 Personen beteiligt hatten – mit ähnlichem Ergebnis wie die öffentliche Befragung. Die Urteile und Bewertungen von immerhin mehr als 300 Berufskolleg(inn)en sollten nicht im überschaubaren Umfeld der FET-Freunde versanden. Deswegen im Folgenden die Wiedergabe der wichtigsten Ergebnisse (weitgehend zitiert nach der aktuellen Meldung des FT)
Frage 1: In welchem Bereich wünschen Sie sich mehr Unterstützung?
Die Ergebnisse zeigen, dass über 90% der Befragten den Stellenwert der Ernährungsberatung in der Gesellschaft als zu niedrig einschätzen und sich hier mehr Unterstützung wünschen. Es wird zudem sehr deutlich, dass die Befragten ihre Leistung zu wenig honoriert sehen und das Preisdumping am Markt sowie die uneinheitlichen Regelungen zur Zuzahlung von Ernährungsberatungsleistungen durch die Krankenkassen bemängeln. Viele Teilnehmer fühlen sich nicht ausreichend ernst genommen und thematisieren insbesondere die fehlende (interdisziplinäre) Kooperation zwischen Ärzten und Ernährungsfachkräften. Zudem beklagt man die die insgesamt fehlende Wertschätzung für den Berufsstand.
Frage 2: Was bremst Sie in Ihrer beruflichen Entwicklung aus?
Etwa 80% der Befragten fühlen sich durch politische bzw. gesetzliche Rahmenbedingungen in ihrer beruflichen Entwicklung beeinträchtigt. Kritisiert wird hier insbesondere die für die Abrechnung mit den Krankenkassen benötigte Zertifizierung durch die Fachverbände, die damit verbundenen Kosten und die zum Teil willkürlich empfundenen Regelungen der Zentralen Prüfstelle Prävention. Die Frage, ob mangelndes Selbstvertrauen ein Grund dafür sein könnte, dass es manchen Ernährungsfachkräften schwer fällt, sich am Markt zu positionieren, wurde von insgesamt 190 Teilnehmern beantwortet. Davon stimmten 93 der Aussage „voll“ oder „eher“ zu.
Frage 3: Hand aufs Herz: Was kotzt Sie in der Branche (bezogen auf Ernährungsberatung und -therapie) so richtig an?
Mit dieser Frage wollte der FET nach eigenem Bekunden den Befragten die Möglichkeit bieten, ganz offen zu äußern, was ihnen gegen den Strich geht. Im Folgenden die Top 10 der Antworten. (Für Interessierte lohnt sich ein Blick in die detaillierte Gesamtauswertung https://fet-ev.eu/wp-content/files/fet-befragung-2017-gesamtauswertung.pdf).
- Ernährungsberatung ist kein geschützter Begriff – das erschwert die qualitative Abgrenzung zu „weniger qualifizierten“ Ernährungsberatern und ihren Methoden (Strukturvertriebe, Produkt-gebundene Beratungen und Seminare, starkes Marketing, Tests, etc.)
- mangelnde Unterstützung seitens der Berufsverbände; fehlende Zusammenarbeit untereinander
- fehlende Lobby auf der einen Seite, aber große Lobby (der Konzerne) auf der anderen Seite
- uneinheitliche und zum Teil veraltete Empfehlungen
- fehlende Anerkennung der Ernährungstherapie durch andere Berufsgruppen (z.B. Ärzte) und seitens der Patienten; Priorisierung medikamentöser Therapie seitens der Ärzte und Krankenkassen (statt Prävention)
- Konkurrenzdenken unter den Ernährungsfachkräften
- Fehlende Preisakzeptanz und geringe Wertschätzung der erbrachten Leistung/ Dumpingpreise
- Unzufriedenheit mit Krankenkassenzertifizierung hinsichtlich Abrechnungsaufwand, Höhe der Erstattung bzw. Bezuschussung; notwendige Qualifikation (Kosten und Anzahl notwendiger Fortbildungen); uneinheitliche Regelungen der Krankenkassen/ Zentrale Prüfstelle Prävention (ZPP)
- Ernährungspopulismus in den Medien; Verbreitung ständig widersprüchlicher Empfehlungen und Halbwahrheiten; Ernährungstrends/ Modeerscheinungen (Experten, Themen, Diäten)
- mangelnde Selbstverantwortung des Patienten; Beratungsresistenz; fehlende Wertschätzung für Beratung und gute Ernährung; Wunsch nach schnellem Erfolg durch Patienten
Quelle: FET
Und was passiert nun mit den Ergebnissen? Der FET selbst will „mögliche Lösungsansätze identifizieren und die Engpässe der Branche bei relevanten Akteuren zur Diskussion bringen.“ Dazu will man zunächst „die Ergebnisse der Befragungen an die entsprechenden Fachverbände und Krankenkassen weiterleiten, um – im Idealfall – einen Dialog anzuregen und um Rückmeldung zu bitten, ob und inwieweit relevante Änderungen für die nächsten Jahre vorgesehen sind.“ Der Verband selbst will auf der politischen Ebene nicht aktiv werden, da dies, so Originalton FET, „laut Satzung nicht vorgesehen ist.“ Das ist schade. Dafür ermöglichen die Ergebnisse dem FET schon jetzt „einen tieferen Einblick in die täglichen Herausforderungen der Ernährungsberater. Auf der inhaltlichen Ebene werden wir unsere Leistungen und Medien in den nächsten Monaten auf Wünsche und Vorschläge abstimmen.“ Der Fairness halber wäre allerdings zu sagen: Als einem der kleinen Fachverbände in der Szene kommt dem FET sicher nicht die Hauptaufgabe bei der Lösung der Probleme des Berufsstandes zu – Berge versetzen kann auch nicht die Aufgabe dieses kleinen Verbandes sein. Ob das andere tun werden, die mehr Stimme und Einfluss haben? Man darf gespannt sein.
Info: Über den FET
Der FET schreibt auf seiner Website in der Rubrik ‚Wir über uns‘: „Wir rüsten Ernährungsberater und -therapeuten mit dem Know-how und Praxiswissen aus, das sie für ihre tägliche Arbeit benötigen. Dies bezieht sich auf die inhaltliche Arbeit und berufspolitische Arbeit in der Ernährungsberatung und Ernährungstherapie. Wir fertigen Unterlagen für die fachliche Fortbildung als auch die Beratungspraxis an. Hierzu zählen Fachkompendien zu Erkrankungen, Nährstoffen und Lebensmitteln als auch Miniposter, Lebensmittellisten, Fact Sheets und Powerpoint-Präsentationen.“ Tatsächlich leistet der FET mit einer kleinen Kernmannschaft seit Jahren sehr gute inhaltliche Arbeit – hervorzuheben sind vor allem die praxisnahen, modern aufbereiteten Medien für die Beratung. Wenn der FET selbst und seine Arbeit recht wenig bekannt sind, mag das auch damit zusammenhängen, dass der FET eine der kleinen Fachgesellschaften ist – mit sehr überschaubarer Mitgliederzahl und entsprechend geringen finanziellen Mitteln.
Hallo Frau Blumenschein, ich verstehe Ihr Anliegen. Wie ich bereits erwähnte, war die kleine Umfrage nicht als Studie gedacht, nicht als solches formuliert. Wenn wir den Ansatz in Zukunft dennoch weiterverfolgen, komme ich gern auf Ihre Expertise zurück und lade Sie ein, dies mit uns gemeinsam zu tun. Vielen Dank nochmals für die Rückmeldung, die ich sehr wertschätze. Beste Grüße, I. Baumbach
Sehr geehrte Frau Baumbach, haben Sie vielen Dank für Ihre Rückmeldung und Erläuterungen. Ich ehre und achte Engagement, und dieses zeigen Sie, das mag ich deutlich betonen: toll. Ich tue mich schwer, für diese Studie und deren Ergebnisse eine Hochachtung aufzubringen, das wäre nicht ehrlich von mir. Dass Sie sich an das Thema wagen, ist prima. Dass es wissenschaftlich seriöser hätte sein können, ist mein Ansatzpunkt. Ich hoffe, ich kann mich klar ausdrücken. In Studien geht es um Formulierungen, damit Ergebnisse valide werden und man damit genau das erreichen kann, was Sie intendieren – etwas, was dazu dient, aufzurütteln und Verantwortliche an manchen (Ernährungs-/Gesundheitspolitik) Positionen dazu zu bringen, aktiv für die Seriosität und Qualität der Ernährungsberatung und -therapie zu kämpfen. Dieses Unterfangen mag ich unterstützen, aber eben auch so, dass diese anvisierten Verantwortlichen das ernst nehmen und ernst nehmen können. Wir machen auch Studien und Befragungen – diese aber unter „Ernährungsfachkräfte“ – also qualifiziert ausgebildeten, und das kann klappen, mein Tipp. Die Undifferenziertheit Ihrer Umfrage haben Sie durch die Einladung der Mitglieder z.B. der Facebook-Gruppe „Ernährungsberater“ leider geradezu herausgefordert, denn Ihnen wie allen in dieser Gruppe ist klar und offensichtlich und deutlich betont, dass es dort ganz viele Teilnehmer gibt, die bei weitem keine „qualifizierter Ernährungsfachkraftsausbildung“ haben. Die kritische Überprüfung im Ansatz ist finde ich genau richtig, nur nicht mit der eher ungeeignet gewählten Befragtengruppe. Den Begriff „zwangsbeglücken“ kann ich nicht zuordnen und daher nichts dazu schreiben, ich verstehe ihn nicht, mea culpa. Aber da die Gruppe der Befragten nicht „differenziert“ genug ausgewählt wurde, ist eben der tatsächliche Bedarf recht schlecht bis überhaupt nicht zu eruieren finde ich. Ihr Ansinnen, Blicke auf Ansinnen und Bedarfe der Beratungskräfte zu werfen – super, ich gehe mit – noch mehr Gehalt und wirkliche Überzeugungskraft hätte dieses mit weniger Bias . Ich wäre eine glühende Verfechterin und Unterstützerin Ihrer weiteren Strategien, die mit seriösen Ergebnissen dann entsprechenden Stellen vorgelegt werden könnten. So bin ich traurig darüber, dass der gute gute Ansatz noch nicht das wirklich wertvolle Ergebnis zu Tage fördert. Und ich nehme absolut wohlwollend zur Kenntnis, dass Sie wohlwollende Kenntnisnahme haben :-). Frau Baumbach, diejenigen unter uns – wie Sie auch – die sich nach vorne wagen, müssen immer mit mehr Wind rechnen, ich kenne das. Das ist nicht böse gemeint, soll anspornen und weiterentwickeln, und ich glaube das wird. Mit noch mehr wissenschaftlicher und seriöser Differenzierung in diesem Fall (auch mit kleiner und nicht repräsentativer Umfrage) hätte ich Ihnen – hätten anderen – noch viel mehr Unterstützung bieten können und wollen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gutes Gelingen für die weitere Ausrichtung in Richtung der von Ihnen genannten Akteure – und das ist ernst gemeint.
Lieber Friedel, liebe Frau Blumenschein, vielen Dank für den Beitrag und auch vielen Dank für die Kritik, die ich in Teilen gut nachvollziehen kann. Da die kleine Umfrage anonym war, war eine exakte Differenzierung in zertifizierte/ anerkannte Ernährungsfachkräfte und Quereinsteiger schwerlich möglich. Wir haben uns trotzdem für diesen Weg entschieden, da wir es als wichtiger empfinden, die Thematik aufzugreifen. Hintergrund war und ist eine kritische Überprüfung unserer eigenen inhaltlichen Ausrichtung. Wir wollen uns an einem tatsächlichen Bedarf ausrichten und nicht “zwangsbeglücken”. Unsere Mitglieder bestehen etwa zu 5% aus Quereinsteigern, den Großteil stellen Fachkräfte. Die Ergebnisse und Wortmeldungen in der Mitgliederumfrage aber unterscheiden sich kaum. Diese stelle ich mit Einwilligung unserer Mitglieder gern zur Verfügung. Und ja, wir haben die letzte Frage von 3 Fragen (oder 1 von 20 Unterfragen) absichtlich provokant formuliert, um möglichst authentische Rückmeldungen zu bekommen. Unserem Gefühl nach erlauben sich viele (noch) nicht, Kritik zu äußern – dazu sollte in der Tat etwas ermutigt werden. Aber es geht nicht darum, das System oder einen Verband oder die Krankenkassen anzuprangern. Jede Rückmeldung ist die Chance, einen genaueren Blick in die Bedürfnisse und Ansichten der Beratungskräfte zu bekommen und Missstände zu erkennen. Das ist notwendig und danach sollte man fragen dürfen. Es gibt viele Teilnehmer, die sich eine Differenzierung der Beratung und Therapie bzw. klare Kriterien wünschen, wer was darf. Es liegt nahe, dass diese Wünsche von qualifizierten Beratern kommen. Das aber können wir allein schwer ändern. Wichtig ist es dennoch. (Und wir erheben auch nicht den Anspruch, ein sehr repräsentatives Ergebnis erhalten zu haben, dafür haben schon zu wenig teilgenommen.) Die Ergebnisse zeigen aber auch sehr deutlich den Bedarf, die Wertschätzung für eine qualitative Ernährungsberatung in der Bevölkerung zu erhöhen. Das ist z.B. ein Schuh, den wir uns als FET anziehen sollten und können. Dennoch überprüfen wir die Satzung, wie mehr unterstützende politische Arbeit mit anderen Akteuren möglich werden kann und ob diese überhaupt gewollt ist. Kommt es nicht darauf an? Inwieweit es zielführend ist, sich an der Formulierung aufzuhängen oder die Würdigkeit zu beurteilen, ist wohl Ansichtssache. Ich nehme es wohlwollend zur Kenntnis.
Hallo Friedel,
hab Dank für das Aufgreifen dieser Thematikk und Befragung. Ich mag liebevoll und korrigierend anmerken, es war eine tatsächlich öffentliche Befragung – und es waren mitnichten nur Ernährungs“fach“kräfte aufgerufen und haben sich an dieser Befragung beteiligt. Es durften sich alle „Ernährungsberater“ angesprochen fühlen und sind dem Aufruf nachgekommen. Hierzu zählen z.B. auch diejenigen, die die qualifizierten (beruflich ausgebildeten) Ernährungs“fach“kräfte gerne mal als nicht geeignet für die Ernährungsberatung bzw. -therapie beschreiben. Diese Ernährungsberater, die mitunter regelmäßig – und das war in einer Ernährungsberater-Netzwerk-Gruppe in Facebook nachzulesen – über die schwierigen Konditionen bezüglich deren Anerkennung und der Nicht-Beteiligungen der Kassen an ihren Kosten und Beratungen „beschweren“, finden in dieser Befragung „geeignetes“ Futter – leider. Ich unterstreiche die Beobachtung, dass die Fragen auch bereits mehr als „provokant“ vorformuliert waren (ich habe selbst an der Befragung teilgenommen, daher die Kenntnisse). Mit einer reisserischen „Nur drei Fragen“-, die dann doch in eine ca. 20 Unterfragen endete -Nummer fand ich die Befragung auch für einen FET unwürdig. Mein Fazit: Die Ergebnisse sind in keiner Weise repräsentativ, weder für die Thematik, noch für die Gruppe der Ernährungsfachkräfte, noch in einer validen Art der Befragung inkl. Fragetechniken. Ich fände es schade, wenn diese Ergebnisse dazu dienen, eine Diskussion über Zufriedenheit und Unzufriedenheit von Ernährungsfachkräften anzureissen, die es so nicht valide gibt.
Liebe Birgit, vielen Dank für Deinen Kommentar, der die Hintergründe der Befragung erhellt. Wenn Deine Kritik an der Befragung stimmt, wäre zu hoffen, dass sich der FET hier noch dazu äußert und man darüber diskutiert, wer alles unter den Begriff “Fachkräfte in der Ernährungsberatung und /oder -therapie” (O-Ton FET) fällt.
Hallo Friedel, ich würde es durchaus begrüßen, wenn es von Seiten der BefragerInnen des FET zu einer “Definition/Erläuterung” für diese Gruppe der Befragten käme, das würde auch mir manches erhellen.