Bereits in der letzten Woche fand in Istanbul die Europäische Ministerkonferenz der WHO zur Bekämpfung der Adipositas statt. Die Hälfte aller Erwachsenen und ein Fünftel der Kinder in der Europäischen Region der WHO sind übergewichtig.  Als Ergebnis wurde dort am 18. November eine historische Charta zur Bekämpfung der Adipositas unterzeichnet. Darin wird als letztendliches Ziel formuliert, der Epidemie Einhalt zu gebieten und den gegenwärtigen Trend speziell in Europa umzukehren. In der Charta heißt es: “Sichtbare Fortschritte, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, müssten in den meisten Ländern innerhalb der nächsten 4-5 Jahre, eine Trendumkehr bis spätestens 2015 erreichbar sein.” Hierfür sind konkrete, zielgerichtete Maßnahmen in zahlreichen Sektoren erforderlich. Die Charta enthält einen Appell, einen besonderen Schwerpunkt auf die Belange der Kinder zu legen und Maßnahmen zu ergreifen, die diese in jungen Jahren zu gesunden Verhaltensweisen ermutigen und sie darüber hinaus vor kommerziellen Einflüssen schützen:

“Hierbei sollten u. a. folgende Regulierungsmaßnahmen ergriffen werden: Annahme von Rechtsvorschriften, die das Ausmaß und die Auswirkungen der Werbung für energiereiche Lebensmittel und Getränke, insbesondere auf Kinder, erheblich verringern, zusammen mit der Entwicklung internationaler Konzepte wie eines Verhaltenskodexes für Kinderwerbung in diesem Bereich; und Annahme von Rechtsvorschriften, die durch mehr Sicherheit im Straßenverkehr Radfahren und Zufußgehen fördern.” Als weitere Schlüsselmaßnahmen zur Förderung einer gesünderen Ernährung und von mehr Bewegung werden in der Charta im Einzelnen genannt: Förderung des Stillens; Verringerung des Fett-, Zucker- und Salzgehalts in verarbeiteten Lebensmitteln; Förderung von Radfahren und Zufußgehen durch bessere Städteplanung und Verkehrspolitik; Schaffung von Gelegenheiten zu täglicher körperlicher Betätigung und Angebot von Ernährungsaufklärung und Sportunterricht in Schulen.

Wohl bekomms meint: Es ist löblich, dass sich die WHO plötzlich so stark für das Thema Übergewicht interessiert. Ob sich das Problem jedoch mit dem Katalog rigider staatlicher Maßnahmen und Reglementierungen lösen lässt, darf bezweifelt werden. Weil’s so einfach ist, darf die Industrie in der Charta als Prügelknabe herhalten – nichts einfacher, als sich Sanktionen für die Hersteller auszudenken. Und was ist mit denen, die das alles in sich hineinstopfen? Familie und Eltern kommen in dem Papier nur als Randfiguren vor.  Was für ein Schwachsinn: Als ob sich fett gefutterte Übergewichtige durch mehr Radwege und schönere Fußgängerwege zu mehr Bewegung bekehren ließen. Meine Herren Politiker, über so viel Sozialromantik lachen ja die Hühner! Die Gewichts-Planpolitik der Charta droht mit Vorschlägen, deren sozial-martialische Sprache einem alleine schon  kalte Schauer über den Rücken jagt.  Da wird z.B. gefordert:  „Entschlossenheit und Führungswille auf höchster politischer Ebene und ein starkes Engagement des gesamten Staates sind die Voraussetzungen für sektorübergreifende Mobilisierung und entsprechende Synergieeffekte.“ Und dann wird u.a. klargestellt:  „Es muss ein Gleichgewicht zwischen der individuellen und der staatlich gesellschaftlichen Verantwortung hergestellt werden. Die alleinige Schuldzuweisung an den Einzelnen für seine Adipositaserkrankung darf nicht akzeptiert werden.“ Na dann wohl bekomms!