Prof. Barbara MethfesselProf. Barbara Methfessel © Schöler

Projekte wie “KLASSE, KOCHEN” sind eine schöne Sache. Wenn es um eine flächendeckende Ernährungsbildung geht, sind sie allerdings  nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Einer erfolgreichen Ernährungsbildung an unseren Schulen stehen immer noch sehr viele Barrieren im Weg, meint Prof. Dr. Barbara Methfessel. Die Oecotrophologin ist hierzulande eine der wenigen ausgewiesenen Expertinnen in Sachen Ernährungsbildung. Bis zu ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst im vergangenen Jahr war sie Professorin für die Lehramtsausbildung an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, wo sie über viele Jahre die Abteilung „Ernährungs- und Haushaltswissenschaften und ihre Didaktik“ leitete. In einem Artikel für die Mitgliederzeitschrift des Verbandes der Oecotorophologen VDOE POSITION (vollständiger Artikel nur in Printversion) zählt sie auf, wo Handlungsbedarf besteht:

● In die Schulen dringen (zu) viele Neuerungen. Das Festhalten an Bewährtem hilft gegen Verunsicherung – und mit „Kochen“ gewinnt man Kinder und Jugendliche am Schnellsten. Abgesehen davon gilt häufig noch die Vorstellung, dass letztlich jede Person, die „schon einmal gegessen und Kaffee gekocht hat“, das Fach unterrichten könne.

● Unterricht ist in Deutschland immer noch „Privatsache“ der Lehrkräfte. So halten sich sehr subjektive Vorstellungen über den Auftrag der Ernährungsbildung. Wie fest traditionelle Vorstellungen vom Fach sein können, erfährt man schon bei der Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte: Nicht wenige Studierende halten eine wissen schaftlich fundierte Ausbildung, die Grundlagenwissen mit kritischer Re flexion verbindet, für übertrieben. Manche empfinden das Studium eher als „wissenschaftliche Störung“ ihrer Biografie, die sie überleben müssen, um hinterher ihre privaten Vorstellungen vom Fach umsetzen zu können.

● Verpflichtende Fortbildungen fehlen ebenso wie externe Evaluationen und Forschung.

● Zusätzliche Gelder und Strukturen werden benötigt, um mehr Wissenschaftler/-innen auszubilden, die neue Methoden entwickeln und anwenden können.

Die Liste ließe sich fortsetzen, meint Methfessel und ergänzt: „Allerdings darf man den Blick nicht nur auf diese Fragen richten. Auffällig ist, dass viel über Ernährungsbildung geredet, aber eine wichtige Erkenntnis ignoriert wird: Ernährungssozialisation wird zu einem wesentlichen Teil auch durch die Ernährungsansgebote – die Verhältnisse – bestimmt. Wie glaubwürdig ist nun eine Ernährungsbildung, wenn die Verantwortlichen in Schulen, Vereinen und anderen Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen ihre Verantwortung für die Ernährungsversorgung nicht übernehmen. Stattdessen müssen Süßigkeiten, Li monadengetränke etc. im Kiosk dem Einkommen der Hausmeister dienen. Auch die Mittagsverpflegung wird häufig weder als gesundheitliche noch als pädagogische Aufgabe gesehen, was zur Einübung und Festigung wenig empfehlenswerter Gewohnheiten führt. So fordert Ernährungsbildung ein Schwimmen gegen einen starken Strom. Ernährungsbildung soll den Einzelnen dazu befähigen, ein mündiger Verbraucher zu werden. Damit soll sie leisten, was so nicht zu leisten ist. Stattdessen die Verhältnisse zu ändern, wäre effektiver und letztlich billiger. Die Politik belässt es bei Lippenbekenntnissen und Appell an die ‘mündigen Bürger’, was einfacher und billiger ist.“