Den Deutschen ist wichtig, dass ihr Essen gut schmeckt, und 40 Prozent kochen täglich – sagt der Ernährungsreport 2019

Riesenüberraschung! Für 99 Prozent der Deutschen ist die Hauptsache beim Essen: Es muss gut schmecken! Wer hätte das gedacht. Über die Ergebnisse des Ernährungsreport 2019 – „Deutschland wie es isst“ zu räsonieren, lohnt eigentlich nicht, da sie ziemlich belanglos sind.  Nichts Neues aus dem Schlaraffenland – das übliche Durcheinander von wohlfeilen Plattitüden, in vielen Aspekten mehr Dichtung als Wahrheit. Beim Essen ist der Deutsche nach wie vor auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau: Es soll gut schmecken, gesund sein und sich schnell und einfach zubereiten lassen. So müsste der Bericht,  dem eine Befragung des Meinungsforschungsinstitutd forsa im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bei rund 1.000 Bundesbürgerinnen und -bürger zu Grunde liegt,  wohl treffender heißen „Deutschland wie es meint, dass es essen sollte.“ Schließlich erfasst die Befragung anstatt harter Fakten vorwiegend Einstellungen und Meinungen zum Essen.

Nach der Lektüre drängt sich allenfalls die Frage auf, wieviel diese aufwändige Erhebung von „Nichts Neuem“ wohl gekostet hat. Viel interessanter als die Ergebnisse des Reports sind übrigens die Kommentare aus dem ernährungspolitischen Umfeld – und dabei vor allem das, was die Akteure mit dem, was sie sagen, wirklich meinen: Hier eine kleine Auswahl

  • Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), poltert per Pressemitteilung: „Ministerin Klöckner stellt sich gegen die Verbraucher!“ und fordert: „Der Report enthält eine klare Handlungsaufforderung an die Ernährungsministerin: 91 Prozent der Befragten wollen, dass Lebensmittel gesund sind. Doch zurzeit ist in Deutschland das Gegenteil Realität.… Damit ignoriert Frau Klöckner ganz klar den Befund, dass 84 Prozent der Befragten den Zuckeranteil in Fertiggerichten reduzieren möchten.“

Im Klartext soll das wohl heißen: ‚Unverschämt, wie diese Ministerin unsere Forderung nach der Zuckersteuer hartnäckig ignoriert. Da muss  jetzt mal endlich mehr Druck rein! Der werden wir’s schon noch zeigen.‘

  • Günter Tissen, Hauptgeschäftsführer der wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, twittert ( @guenterTissen): “Der Ernährungsreport 2019 zeigt: Die Verbraucher wollen sich gesund ernähren. Unsere (eigene) Studie zeigt zudem: Verbraucher erwarten, dass dort, wo Zucker in Lebensmitteln reduziert wird, auch die Kalorien deutlich runter gehen müssen. Deswegen steht die Reduktion der Energiezufuhr zu Recht auch im Fokus der Reduktions- und Innovationsstrategie des BMEL. Denn im Kampf gegen Übergewicht zählen nur die Kalorien.“

Dahinter steht der Gedanke: ‚Jetzt reicht‘s aber auch bald mal mit dem Zuckerbashing! Immer drauf auf die Süßen – das ist wirklich nicht fair. Kann nicht mal wieder jemand auf dem schlimmen Fett rumhacken?

  • Ex-Agrarministerin Renate Künast von den Grünen nannte den Report eine “Mogelpackung: Sieht schön aus, ist aber nichts Wegweisendes drin.” Klöckner sei “nicht viel mehr als eine Ankündigungsministerin” und richte sich zu sehr nach den Wünschen der Industrie.

Sie wird damit wohl meinen:  ‘So gut wie ich den Job gemacht habe kriegt die Klöckner das sowieso nicht hin! Und überhaupt könnten die Grünen das alles viel besser!’

  • Martin Rücker, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch verkündet über Twitter ( @foodwatch_de ): ” Statt solche Umfragen zu veröffentlichen, sollte sich Frau Klöckner für eine bessere Tierhaltung starkmachen & wirksame Maßnahmen gegen Fehlernährung ergreifen.“

Das sind klare Worte. Da sagt mal einer, was er tatsächlich meint.

  • Die taz-Autorin Simone Schollack zieht den gewagten Schluss, dass „Essen vor allem eine Klassenfrage ist. Das heißt: Gesundes muss erschwinglich und süße, fette Snacks müssen teurer werden.“ Schon sieht sie die „Ernährungs-Stasi“ im Landwirtschaftsministerium lauern und fragt schließlich: „Was spricht dagegen, nicht nur Austern, Elchkäse und Champagner teuer zu verkaufen, sondern auch Haselnussschokolade und Kartoffelchips – und sie damit in den Stand echter Genussmittel zu erheben?“

Der Leser fragt sich allerdings, was die Arbeiterklasse und Hartz-IV-Empfänger dann noch essen sollen. Bleibt ja nur noch Wasser und Brot – und ein bisschen Obst und Gemüse vielleicht. Irgendwie wird die Autorin dann jenseits des Klassenkampf doch noch ein bisschen witzig: „Machen wir uns nichts vor: Ein Leben ohne Schokolade und Schampus ist möglich, aber sinnlos.“

  • Auch die Metro meldet sich zu Wort und freut sich über die im Report verzeichnete steigende Bereitschaft der Befragten, Insekten zu verzehren. Das lässt sich doch gleich für Werbung im Social-Media-Kauderwelsch aut Twitter nutzen: Der #ernaehrungsreport des @bmel bringt viele neue Erkenntnisse über deutsche Essgewohnheiten. Wer Insektenprodukte probieren möchte, findet im @nxfood_com #StartUpShelf der @METRO_de Insekten-Pasta von Plumento Foods.“

Was für ein Glück für die Deutschen, dass es die Insekten-Pasta von Plumento gibt!

  • Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) als Sprachrohr der Lebensmittelwirtschaft sagt übrigens zum Report gar nichts – zumindest bis heute nicht.

Indem er nichts sagt, will uns der BLL durchaus etwas sagen: ‚Wie schön, dass der Report keine einzige Attacke auf die Lebensmittelwirtschaft enthält. Ein Statement kann da nur unsere Gegner provozieren. Schweigen ist eben tatsächlich manchmal Gold.’

  • Und was sagt die Ministerin nach soviel Bekenntnis der Deutschen zur bewussten und gesunden Ernährung zum eigenen Ernährungsverhalten? Man weiß, dass sie guten Wein und gutes Essen schätzt, doch leider bleibt ihr wohl keine Zeit dafür. Mit sympathisch entwaffnender Ehrlichkeit bekennt sie: „In meinem Job als Ministerin komme ich nicht täglich zum Mittagessen, ich esse das, was ich bekomme.“

Wohl bekomm’s!