Zwischen Flüchtlingsdrama und Dax-Absturz rieseln heute Morgen die Frühstücksflocken durch die Medien. Im Gerangel um die öffentliche Aufmerksamkeit ist eine schräge Allianz entstanden. Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG) – seit 30 Jahren mit seriöser Forschung beschäftigt  –, Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) – ebenfalls der Wissenschaft verpflichtet – und die Dachorganisation diabetesDE haben sich mit foodwatch zusammengetan. Gemeinsam schießen sie gegen die Lebensmittelindustrie. Ziel der aktuellen Attacke ist die Werbung für Kinderlebensmittel.

Die unheilige Allianz fordert schärfere gesetzliche Regelungen mit dem Ziel, das Marketing für Kinderlebensmittel einzuschränken. Auslöser ist eine aktuelle Foodwatch-„Studie“, in der 281 Produkte getestet worden waren. Sie stammen allesamt von Herstellern, die sich 2007 in der “EU Pledge” zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung beim Kindermarketing verpflichtet hatten. Die Studie, die keine Studie sondern allenfalls eine bewertete Zusammenstellung ist, ergab, dass knapp 90 Prozent davon nach Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu süß und zu fett seien. Nur 29 Produkte würden demnach den WHO-Kriterien standhalten. “Die Lebensmittelbranche stellt sich als Vorreiter im Kampf gegen Übergewicht und Fehlernährung dar und vermarktet gleichzeitig tonnenweise Süßigkeiten und Junkfood gezielt an Kinder”, sagte Oliver Huizinga, Foodwatch-Experte für Kindermarketing, in der für foodwatch üblichen polemischen Rhetorik. Wieder einmal fällt den Kritikern nichts Besseres ein als die Forderung nach Regulierung und Verboten. Die DAG, die sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft der Forderung anschließt, gibt damit eine Bankrotterklärung ab.

Was ist zur Sache zu sagen? Ein paar Infos zur Lage: 2007 liefert der bundesweite Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) erstmalig repräsentative altersspezifische Daten zum Ausmaß des Übergewichts bei Kindern. Demnach sind hierzulande knapp 15% der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren übergewichtig. Etwas mehr als ein Drittel davon (6,3%) leiden unter krankhafter Fettleibigkeit. Das sind 50 Prozent mehr als in den 80er- und 90er-Jahren. Zahlen, die 2007 – zu Recht – die Alarmglocken schrillen ließen. Doch was ist seither passiert? Auch ohne neue repräsentative Daten lassen verschiedene regionale Untersuchungen und die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen vermuten, dass die negative Entwicklung gestoppt ist – mit leichter Tendenz zur Entspannung: Es gibt keinen Anstieg der Zahlen mehr. Die positive Botschaft dabei: Trotz Regalen voller zuckerhaltiger Flocken & Co. sind 93,7% aller Kinder und Jugendlichen von Fettleibigkeit verschont geblieben – und das trotz Werbung und Marketing.

Auch sechs Prozent fettleibige Kindern sind noch zu viel. Die einfache Lösung der neuen Allianz: ‘Verbietet die Werbung – und Eure Kinder bleiben schlank’. Ja, wenn es denn so einfach wäre! Der Forschung – unter anderem von Mitgliedern der DAG – haben wir die Erkenntnis zu verdanken: Übergewicht – gerade auch bei Kindern – ist ein komplexes Problem, das komplexe Lösungsansätze erfordert. Statt Werbeverbote zu erlassen, wie es foodwatch & Co. von Gesundheitsminister Gröhe fordern, hat der das Präventionsgesetz durchgebracht. Gesundheitsförderung und Prävention von Übergewicht bei Kindern spielen darin eine wichtige Rolle. Das lässt viel mehr erhoffen als, als ein Werbeverbot erreichen kann. Gestärkt wird dabei auch die Rolle der Eltern. Sie sind und bleiben die erste Instanz zum Schutz unserer Kinder und zur Ihrer Begleitung auf dem Weg zum mündigen Konsumenten. Die zweite Instanz sind Kita und Schule, und auch die sind im Rahmen der Prävention dabei. Was Hänschen von Hans nicht lernt, lässt sich auch nicht durch Verbote regulieren. Wenn Kinder wieder lernen, dass ein Nein der Eltern ein Nein ist, dann lasset die Hersteller fröhlich werben – dann brauchen wir keine Verbote mehr.

Bleibt die Frage: Worum geht es der Allianz wirklich? Um das Wohl der Kinder – oder um ganz andere Interessen? Foodwatch hat noch die jüngste Pleite vor Gericht zu verkraften. Da ist Angriff die beste Verteidigung. Allerdings: Eine Branche, die nach den weltweit höchsten Standards produziert, lässt Skandale zur Mangelware werden. Da muss man schon bei den Kinderlebensmitteln suchen. Im Namen von Millionen Diabetikern suchen diabetesDE und DDG die Verantwortung für einen gesunden Lebensstil schon immer bei den anderen – der Politik, dem Staat und der Lebensmittelindustrie. Demnach muss nicht der Diabetiker sein Leben ändern, sondern die Schuldigen sollen bezahlen – vor allem die Versorgung durch die Ärzte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und nach den vielen Millionen, die über 30 Jahre in die Erforschung der Adipositas geflossen sind, fällt der DAG nichts besseres ein als die Forderung nach dem Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel? Die selbsternannten Essenswächter von foodwatch jedenfalls sind durch die neue Allianz mit der ach so wissenschaftlichen DAG geadelt. Herzlichen Glückwunsch zur gelungenen Kampagne – wird für den goldenen Schaumschläger nominiert!