Warum entlarvt eine Headline wie: „Junk Food kostet Weltwirtschaft 1,1 Billionen Euro!“ den Inhalt des dazugehörigen Artikels als Unsinn? Weil es weder für den Begriff Junk Food noch für den Fast Food Begriff verbindliche Definitionen gibt. Und was nicht definiert ist, lässt sich nicht wiegen, berechnen oder messen. Wenn man durch die Headlines der Medien scrollt, drängt sich der Schluss auf: Fast Food macht krank, alt, süchtig, müde, dumm und führt zum Untergang der Menschheit.  Kurzum: Kaum ein Übel, für das Fast Food nicht mitverantwortlich ist. Somit gehört Fast Food zu den beliebtesten Feindbildern des auf Unversehrtheit des Körpers bedachten modernen Lebens. Dabei verwenden viele die Begriffe Fast Food und Junk Food mit einer Selbstverständlichkeit, als gäbe es nicht den geringsten Zweifel an ihrer Bedeutung.

mac_dFast Food ist vermutlich nicht die Ursache für seinen Zustand
© muehleib

Beim näheren Hinschauen löst sich das Feindbild schnell in Wohlgefallen auf. Was ist der Kern des bösen Feindes, was macht Fast Food und Junk Food aus, welche Lebensmittel bzw. Gerichte gehören genau dazu? Fast Food im eigentlichen Wortsinn bedeutut zunächst nichts anderes als „Schnelles Essen“. “Junk Food” wäre die entsprechende Hardcore-Variante, die sich am ehesten mit dem Begriff  Abfall-Nahrung übersetzen lässt. Was gehört nun zum Fast Food dazu? Burger, Pommes, Currywurst sind genauso Fast Food wie Pizza und Pasta, Sushi und Sashimi, Fisch und Chips, Döner und Empanadas, Sandwiches und belegte Brötchen, Suppe und Salat (..so sie denn aus der Systemgastronomie kommen). Betrachtet man dort, wo es sie noch gibt, die Hausfrau und Mutter als Leiterin der privaten Familiengastronomie, zählen auch Butterbrote, Cornflakes, gesüßte Müslis und vieles andere zum Fast Food, was zu hause auf den Tisch kommt. Natürlich sind dann auch Schokoriegel, Süßwaren, zuckerhaltige Limonadengetränke, Süßspeisen, verzehrsfertige Desserts jeder Art incl. Joghurts und vieler ähnlicher Milchprodukte Fast Food – die Liste ließe sich beliebig verlängern. Fast Food ist alles und nichts – ein Begriff, der gar nichst klärt, eine beliebige Floskel. Und wo bitteschön verläuft die Grenze zwischen Fast- und Junk Food? Auch, wenn es praktisch ist: Einen derart schwammigen Begriff darf man nicht verwenden, um irgendetwas zu begründen oder zu erklären.

Spätestens hier ist klar, dass sich das Riesenspektrum von Angeboten und Darreichungsformen mit seiner Vielfalt von Lebensmitteln und Zubereitungsformen ernährungsphysiologisch nicht über einen Kamm scheren lässt. Hier geht es nicht ohne Differenzierung, und die zeigt schnell, dass in Fast Food auch Gutes stecken kann. Das konstatiert sogar Slow Food, wie eine Reportage im verbandseigenen Mitgliedermagazin über einen Gourmet-Imbiss in Deutschlands Norden noch im Sommer letzten Jahres zeigt. Wenn beim Imbiss die industrielle Wurst durch ein schmackhaftes Produkt aus handwerklicher Herstellung ersetzt wird, ist ihr Genuss aus Slow Food Sicht gar kein Problem. Pauschale Beurteilungen a la „Fast Food ist…“ sind somit gar nicht mehr möglich. Jahrzehntelanger Beschuss durch lautstarke Kritiker hat zudem dazu geführt, dass gerade die Großen der Fast Food Branche – zumindest in Deutschland – die Qualität ihrer Produkte massiv verbessert haben. Da gibt es kein Unternehmen mehr, das nicht die kompletten Nährwertangaben für seine Produkte kommuniziert oder nicht an der Verbesserung von Problemzonen  wie Salzgehalt, Verwendung von Palmöl, Anteil an ungesättigten Fettsäuren und Ähnlichem arbeitet.

Wer in der Ernährungswissenschaft nach Definitionen sucht, wird  allenfalls eine Reihe wortreicher Umschreibungen finden. Wirklich Griffiges ist wenig dabei. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) beschreibt Fast Food als „standardisierte Mahlzeiten, die verzehrsbereit mit eingeschränkter Wahlmöglichkeit angeboten und am Verkaufspunkt rasch bereitgestellt werden“. Fakt ist: Eine einheitliche Definiton gibt es nicht – allenfalls gibt es bestimmte Merkmale, die in verschiedenen Definitionsversuchen immer wieder auftauchen  Ob ein Essen Fast Food ist, wird demnach von folgenden Merkmalen bestimmt:

– Von der Art und Weise des Konsums (ohne Besteck, größtenteils vor Ort und somit unterwegs)

– Von der zeitlichen Komponente: Fast Food verdankt seinen Namen nicht dem Geschmack, sondern der Geschwindigkeit, mit der es verzehrt wird. Nicht die Nahrung selbst steht also im Vordergrund, sondern die Haltung des Essers

–  Von einer begrenzte Wahlmöglichkeit, verbunden mit einem marginalen Zeitaufwand für Einkauf, Bestellung und Bereitstellung

–  Von der Normierung und Standardisierung der Produkte und des Umfeldes, vor allem im Bereich der großen Fast Food-Ketten. Der Geschmack eines Hamburgers in Berlin ist identisch mit dem in Hongkong oder Sydney. Uniforme Produkte werden in einem weltweit einheitlichen Ambiente angeboten. Das bietet Konsumenten Sicherheit, was bestellt werden kann, wie es schmeckt und was ihn erwartet. Weltkonzerne wie McDonald’s haben diese Normierung perfekt umgesetzt.

Die Ernährungsphysiologen halten sich dagegen komplett bedeckt. Sie meiden den Begriff, und wenn sie überhaupt damit arbeiten – was in der bundesrepublikanischen Ernährungsforschung der letzten Dekaden übrigens extrem selten ist – kann man davon ausgehen, dass jeder etwas anderes darunter versteht.  Fazit: Macht Fast Food krank, alt, süchtig, müde, dumm und führt zum Untergang der Menschheit? Aussagen dieser Art haben genauso viel Evidenz wie der Satz: Wer sündigt, muss später in der Hölle schmoren!