Pünktlich zum Jahresstart und kurz vor Beginn der Grünen Woche präsentiert uns Bundesernährungsminister Christian Schmidt den Ernährungsreport 2016. Fazit der Studie für den sachkundigen Leser: Alles beim Alten, kaum Neues – von wenigen Punkten abgesehen – und manches mit Vorsicht zu genießen. Vielleicht die wichtigste Erkenntnis: Die Menschen wollen mehr Aufklärung, mehr neutrale Information über Ernährung sowie mehr Ernährungsbildung für die Kinder.

Was erfahren wir von der Studie? Gesunde Ernährung hat für viele Menschen einen hohen Stellenwert. Die meisten Befragten glauben, dass sie sich gesund ernähren. Die Wertschätzung für Lebensmittel lässt bei Kindern zu wünschen übrig. Und so weiter und so fort. Alles kalter Kaffee. Das hat den Aufwand nicht gelohnt. Ganz vergeblich ist der Bericht trotzdem nicht, räumen die Ergebnisse doch mit dem einen oder anderen Vorurteil auf:
● Die Zahl der Vegetarier in Deutschland (..einschließlich der Veganer) liegt gerade einmal bei 3 Prozent – also wesentlich niedriger, als von den einschlägigen Institutionen und Verbänden wie z.B. dem Vegetarierbund kommuniziert wird. Dort sieht man bundesweit 10 Prozent Vegetarier – auch wenn man dies bedauern mag: bis dahin ist es ganz offensichtlich noch ein weiter Weg.
● Die Deutschen lieben immer noch Fleisch, vor allem die Männer: 99% der Männer denken offensichtlich gar nicht daran, Vegetarier zu werden. 89% der Männer und 77Prozent der Frauen essen mehrmals in der Woche bzw. täglich Fleisch und Wurst. Das zeigt auch, dass die Debatte um die gesundheitliche Bedeutung von Fleisch und Wurst und einen nötigen Verzicht, wie sie noch vor kurzem heftigst in den Medien geführt wurde (..zu viel Wurst macht Darmkrebs), nur von einer sehr kleinen Minderheit getragen wird.

Einige Ergebnisse der Studie, die das Ministerium als erfreulich empfindet, sind mit Vorsicht zu genießen. So wird mit Freude die Liebe der Deutschen zum Kochen registriert: „Deutschland kocht gern. Gut drei Viertel der Befragten (77 %) geben an, dass ihnen Kochen Spaß macht.“ Hat sich wohl jemand gefragt, was die Befragten unter ‚Kochen‘ verstehen? Die Deutschen lieben nach wie vor Pasta und Pizza, wie der Report zeigt. Ein paar Nudeln ins Wasser schmeißen und dann die erhitzte Fertigsoße drüberkleckern, die TK-Pizza in die Röhre schieben und mit einem Bierchen servieren – ist das ‚Kochen‘? Für viele Verbraucher ist es das. Da müsste man doch mal den Begriff ‚Kochen‘ relativieren. Schließlich wird denn auch festgestellt: „Zwischen ‚gern tun‘ und ‚tatsächlich tun‘ klafft eine Lücke: Nur eine Minderheit der Befragten (41 %) kocht täglich.“ Und: „Unter den Nichtköchen sind die Männer klar überrepräsentiert: Jeder fünfte männliche Befragte (20 %) gibt an, normalerweise gar nicht selbst zu kochen.“ Überhaupt: Man glaube nicht, dass die Ergebnisse der Studie die Wirklichkeit auf deutschen Tellern repräsentiert. Befragte neigen dazu, ihre Antworten zu schönen – vor allem auch, wenn es um persönliche Fragen rund um Gesundheit und Ernährung geht. Da gibt man sich tendenziell gerne ein wenig gesundheitsbewusster, naturverbundener und tierlieber als man tatsächlich einkauft und isst. So dürfte denn auch die tatsächliche Zahl der Vegetarier noch geringer sein als die ermittelten 3 Prozent, die in einer Zeit, in der Vegetarismus chic ist ,natürlich auch die Möchtegern- und ‚temporären‘ Vegetarier erfassen.

Vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der Deutschen zwar staatliche Maßnahmen geeignet hält, um einer gesunden Ernährung den Weg zu ebnen, aber nicht in Form von Verboten und Gesetzen, sondern durch Aufklärung und Unterricht an Schulen sowie durch neutrale Informationen, bekräftigte das Ministerium die Forderung nach einem eigenständigen Schulfach Ernährung: “92 Prozent der Befragten befürworten eine kindgerechte Aufklärung und verpflichtende Ernährungsbildung an Kitas und Schulen.“ Das ist wichtig und gut. Dabei wird allerdings leider vergessen, dass die beste Ernährungsbildung ins Leere läuft, wenn es die Ernährung zu Hause in der Familie nicht stimmt. Ernährungsinformation, – auifklärung und –beratung der Erwachsenen zu vernachlässigen und zu vergessen, wäre sträflicher Leichtsinn.