Diskriminierung – ja oder nein: Führungspositionen dürfen auch nach dem äußeren Erscheinungsbild der Bewerber besetzt werden. Das, so der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Klaus-Dieter Franzen, hat das Arbeitsgericht Darmstadt kürzlich entschieden. Die Klägerin bewarb sich als Geschäftsführerin bei einem Gesundheitsverband mit einem Gewicht von 83 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,70 Metern. Das entspricht einem Bodymass-Index (BMI) von 28,7. Dieser BMI gilt als deutlich übergewichtig, aber noch nicht als adipös. Nach einem ersten Vorstellungsgespräch bestand seitens Verbandes offenbar zunächst Interesse an der Klägerin. Die Parteien vereinbarten ein weiteres Gespräch. Zwei Tage vor dem Termin schrieb die stellvertretende Vereinsvorsitzende und kommissarische Geschäftsführerin eine Mail an die Klägerin, in der es u.a. hieß:

“Als ehemalige Dicke (in jungen Jahren) möchte ich Sie fragen, was dazu geführt hat, dass Sie kein Normalgewicht haben. Sie müssen diese Frage nicht beantworten. Aber wenn Sie wollen, können Sie es mir erklären. Es geht dabei auch darum, dass Sie bei unseren Mitgliederversammlungen anwesend sein müssen und wir vielen immer wieder sagen müssen, dass sie das Thema Übergewicht ausschalten müssen, wenn es um Gutachten und Differentialdiagnosen der Borreliose geht. Im jetzigen Zustand wären sie natürlich kein vorzeigbares Beispiel und würden unsere Empfehlungen für Ernährung und Sport konterkarieren. (…)Vielleicht haben Sie ja auch einen plausiblen Grund, der in den Griff zu bekommen ist.”

Die Klägerin erklärte sich nicht zu ihrem Übergewicht und erschien auch nicht zu dem zweiten Vorstellungsgespräch. Mit ihrer Klage gegen den Verband und die kommissarische Geschäftsführerin verlangte die Klägerin eine Entschädigung wegen Diskriminierung i.H.v. 30.000,00 €. Sie behauptet, die Beklagten seien bezogen auf ihre Person von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Sinne von Adipositas (Fettleibigkeit, Fettsucht) ausgegangen und hätten allein deswegen die Einstellung verweigert. Bei ihr liege Adipositas objektiv nicht vor, die Beklagten hätten dies jedoch unterstellt.

Das angerufene Arbeitsgericht wies die Klage ab, weil aus sei­ner Sicht kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung vor­lag. Denn die Kläge­rin war we­der be­hin­dert noch so über­ge­wich­tig, dass ei­ne Be­hin­de­rung hätte in Be­tracht ge­zo­gen wer­den können. Nach An­sicht des Ge­richts gab es auch kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass der Ver­ein bei sei­ner Ent­schei­dung an­ge­nom­men hat­te, dass bei der Kläge­rin ei­ne Be­hin­de­rung vor­lag. Auch ei­ne Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts lag nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Denn zum ei­nen hat­te der Ver­ein die Kläge­rin ja zu ei­nem wei­te­ren Gespräch ein­ge­la­den, und das hätte man wohl kaum ge­tan, wenn man schon fest da­zu ent­schlos­sen ge­we­sen wäre, die Kläge­rin we­gen ih­res (tatsächli­chen oder nur ver­meint­li­chen) Über­ge­wichts nicht ein­zu­stel­len. Zum an­de­ren seien Ar­beit­ge­ber nicht da­zu ver­pflich­tet, bei Ein­stel­lun­gen das äußere Er­schei­nungs­bild völlig außen vor zu­las­sen. Der be­klag­te Ver­ein durf­te da­her nach Auf­fas­sung des Ge­richts auch berück­sich­ti­gen, “ob die Kläge­rin auf­grund ih­rer Ge­samt­persönlich­keit und Er­schei­nung be­reit und in der La­ge ist, die An­lie­gen des Ver­eins, na­ment­lich des­sen Emp­feh­lun­gen für ein ge­sund­heits­be­wuss­tes Ver­hal­ten, über­zeu­gend zu ver­tre­ten.” So kann Übergewicht nicht nur krank, sondern auch arbeitslos machen.