„Frühstück schützt vor Herzinfarkt“, „Frühstücken hält gesund“, „Frühstücksverzicht gefährdet das Herz“– solchen Unsinn berichteten in der vergangenen Woche on- und offline, landauf, landab die Medien – natürlich waren auch Leitmedien wie Stern, Focus und Welt dabei. Was gibt es für einen Grund, sich darüber aufzuregen? Gegenstand der Berichterstattung waren die Ergebnisse einer amerikanischen Studie, in der rund 26.000 Männer, die allesamt in Gesundheitsberufen arbeiteten, regelmäßig über viele Jahre nach ihren Essgewohnheiten und Lebensumständen befragt wurden. Nach 16 Jahren hatten diejenigen Teilnehmer, die das Frühstück ausfallen ließen,  ein um 27 % höheres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder an einer koronaren Herzkrankheit zu sterben als jene, die den Tag mit einem regelmäßigen Frühstück begannen.

So formuliert handelt es sich bei diesen Headlines um Tatsachenbehauptungen. Und die stimmen in diesem Falle so nicht. Deshalb ist dieser Quatsch ein Beispiel mehr für schludrigen Wissenschaftsjournalismus, der speziell dem Image der Ernährungswissenschaft schadet. Die Gründe: Die meisten Schreiber unterstellen mit ihren Schlagzeilen und meist auch mit den Ausführungen im Artikel einen kausalen Zusammenhang: Wenn kein Frühstück – dann häufiger Herzinfarkt! Da es sich bei der Studie allerdings um eine reine Beobachtungsstudie handelt, geben die Ergebnisse keinerlei Aufschluss über Kausalitäten. Der errechnete Zusammenhang zwischen dem Auslasssen des Frühstücks und einem wachsenden Herzinfarktrisiko ist also genauso wenig ursächlich wie der zwischen der sinkenden Zahl der Klapperstörche und dem Rückgang der Geburtenrate. (Wen’s interessiert: übersichtliche und verständliche Wegweiser durch den Studiendschungel gibt es beim medien-doktor.de hier und hier)

Hier kommt alles zusammen, was eigentlich nicht zusammenkommen darf: Eine  schlechte bzw. überflüssige Forschung, schlechte Förderpolitik (NIH und Canadian Institutes of Health Research gefördert), unkritische Begutachtung in der Zeitschrift, auf den breiten Effekt bedachtes Ausschlachten der Ergebnisse durch die Autoren und unkritische mediale Verarbeitung durch die Journaille – und keiner hat’s gemerkt. Wenn sogar Food-Journalisten, von denen man die kritische Interpretation solcher Studien erwarten sollte, prompt in die Mottenkiste greifen und das Frühstück zur „wichtigsten Mahlzeit des Tages“ küren, dann kann man es dem unbedarften Leser kaum verübeln, wenn er denkt: „Das hat doch meine Oma schon gesagt: Frühstücke wie ein Kaiser.“ – und er geht hin, und zwingt sich und seinen Kindern ab sofort ein opulentes Frühstück mit Speck und Eiern rein.

Im Übrigen hatten die Männer, die auf ihr Frühstück verzichten, häufiger Vollzeitjobs, waren seltener sportlich aktiv, häufiger Raucher und stärkere Alkoholkonsumenten als die übrigen Befragten. “Aus diesem Gebilde von untrennbaren Faktoren jetzt das Frühstück herauszupicken, ist natürlich abenteuerlich. Die Studie ist mal wieder ein perfektes Beispiel, wie Assoziation oder Korrelation als Kausalzusammenhang missbraucht wird.” erklärt Prof. Gerd Antes vom Deutschen Cochrane-Zentrum in Freiburg in einer lesenswerten Analyse bei medien-doktor.de, die zeigt, warum eine derartige Berichterstattung Murks ist. ” Antes gilt als einer der führenden Fachleute der evidenzbasierten Medizin in Deutschland. Würde man behaupten, dass diejenigen, die auf ihr Frühstück verzichten, ein höheres Risiko haben, Raucher zu werden oder ein schlechter Sportler, wäre das aufgrund der vorhandenen Daten ebenso gut oder schlecht begründbar. Wer raucht, trinkt und wenig Sport treibt, tendiert dazu, auch nicht zu frühstücken. Das wäre noch die am ehesten vertretbare „Schlagzeile“ aus der Studie gewesen. Aber hätte die irgendjemand interessiert?

Solche Studien und der unkritische Umgang der Medien damit sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die durch die Talkshows ziehen und behaupten, der Ernährungswissenschaft fehle sowieso jede Evidenz, weshalb man sie nicht ernst nehmen müsse. Wenn Ernährungswissenschaft ernst genommen werden will, muss man sich von solchen „Ergebnissen“ kritisch distanzieren. (Übrigens: Auf dieses Thema hat mich der Kollege und Studienfledderer Uwe Knop gebracht – vielen Dank dafür!)