Fleisch-JapanDie Lebensmittel Zeitung berichtet: „Fleischbranche erlebt Asien-Boom: China verdoppelt seine Schweinefleischeinkäufe am Weltmarkt.“ Demnach führte alleine die Volksrepublik China im ersten Halbjahr 2016 über 1,4 Mio. t Schweinefleisch ein – doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Die großen deutschen Schlachtbetriebe – darunter Tönnies, Westfleisch und Vion – profitieren dabei kräftig vom unstillbaren Fleischhunger der Asiaten, der die hiesige Fleischerzeugung zu immer neuen Mengenrekorden treibt. Die deutschen Schlachthöfe haben demnach im ersten Halbjahr 2016 die Rekordmenge von knapp 4,1 Mio t Fleisch produziert.

In der ZEIT ist parallel zu lesen, dass sich der Gesundheitszustandes der Chinesen dramatisch verschlechtert: “Unsere Berechnungen zeigen, dass die ständige Zunahme von Bluthochdruck, Bewegungsmangel, Übergewicht und schlechterer Ernährung Millionen neue Herzinfarkte und Schlaganfälle nach sich ziehen wird.“ so die Forscherin Yanping Li von der Chan School of Public Health. Als einer der wichtigsten Auslöser gilt das Fleisch: Früher standen Reis und Gemüse im Mittelpunkt des Essens, Fleisch war Luxus. Heute liegt immer weniger Reis und immer mehr Fleisch auf den Tellern der Chinesen. Wer Fleisch auftischt, zeigt damit auch, dass er sich etwas leisten kann. 1989 aß ein Chinese im Durchschnitt 13 Kilogramm Fleisch pro Jahr, heute sind es 63 Kilogramm. In Deutschland werden etwa 60 Kilogramm pro Person verzehrt.

Dürfen Deutsche Schlachthöfe guten Gewissens Millionen toter Schweine ins Reich der Mitte liefern, deren Fleisch die Menschen dort langfristig krank macht? Kann die Lieferung von Nahrungsmitteln unmoralisch sein? Das hängt von der Einstellung ab:

Für den Moralisten ist die Antwort eindeutig: Fleisch liefern geht gar nicht und ist fast so schlimm wie Waffenexport. Für ihn ist das Fleisch aus dem Westen nichts anderes als ein Mittel, das den kollektiven gesundheitlichen Selbstmord der Asiaten auf Raten unterstützt. Der Moralist sieht die deutschen Lieferanten  in der direkten Verantwortung. Statt Fleisch sollten sie seiner Meinung nach vegetarischen Fleischersatz liefern – als einzig vertretbare moralische Alternative

Der Fatalist ist überzeugt von der Ohnmacht des Einzelnen und der Eigendynamik gesellschaftlicher Entwicklung, die sich nicht wirklich steuern lässt. Den Fleischhunger der Chinesen und seine Folgen hat er vorausgesehen und hält ihn für unabwendbar – ob mit oder ohne Moral. Für ihn steht außer Zweifel: Wenn die deutschen Schlachthöfe nicht liefern, werden es Franzosen, Holländer und Amerikaner oder irgendwelche anderen tun. Er setzt darauf, dass die Zeit alle Wunden heilt und auch China irgendwann den Vegetarismus entdeckt.

Für den Realisten ist der Fleischexport keine Frage von Ethik und Moral, sondern von Angebot und Nachfrage. Er freut sich über die vielen Arbeitsplätze, die durch den explodierenden Fleischkonsum in China in der deutschen Lebensmittelwirtschaft geschaffen werden. So steigert der Fleischexport einerseits unser Bruttosozialprodukt und befriedigt zudem ein Bedürfnis der Chinesen. Wenn die es damit übertreiben – nicht unsere Schuld.

Übrigens: Dass die Moral oft nicht weit reicht, zeigen die deutschen Moralisten. Die interessieren sich offensichtlich mehr für Schweine als für Chinesen. So sieht man beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland die Schweine in Gefahr und sorgt sich um den Tierschutz, falls die Produktion weiter wächst und neue Megaställe gebaut werden. Moral normal – auch dem Moralisten ist das Hemd eben oft näher als der Rock. Womit die Moral von der Geschichte wäre, dass die Geschichte keine Moral hat.

Quellen: Lebensmittel Zeitung (online nur für Abonennten), DIE ZEIT