Adipositas ist ein ernstes gesellschaftliches Problem. Darauf haben gerade wieder einmal Deutschlands Diabetes-Organisationen hingewiesen, wie die Ärztezeitung berichtet. Dass krankhaftes Übergewicht tatsächlich ein großes Problem ist, darüber sind sich alle schon seit langer Zeit einig. Leider hat diese Einigkeit bis heute nicht zu Konsequenzen geführt. Seit 50 Jahren wird landauf, landab über die wachsende Zahl von Übergewichtigen gejammert. Seit 50 Jahren steigt ihre Zahl. Dass hier außer Jammern und Klagen wenig passiert, hat auch die Politik zu verantworten. Seit 50 Jahren gehört die Klage über die Adipositas, ihre schlimmen Folgen und die Notwendigkeit, unbedingt sofort etwas zu tun, zu den Sonntagsreden deutscher Gesundheits- und Ernährungspolitiker. Doch mehr als Rhetorik war nicht – passiert ist (fast) gar nichts.

Das wird gerade einmal wieder von einer gewichtigen Stimme beklagt.  Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE, sorgt sich um die gesundheitliche Zukunft der dicken Kinder. Bereits 8,5 Prozent der 14- bis 17-Jährigen leiden nach Kröger laut der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kinder- und Jugendalter (AGA) an Adipositas (starkem Übergewicht mit krankhafter Veränderung des Stoffwechsels). Insgesamt ca. 15% der drei- bis 17-Jährigen sind von Übergewicht betroffen. Kröger: „Ihnen droht im Erwachsenenalter ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden, Krebs, Gelenkverschleiß und psychische Probleme.”  Als Konsequenz aus dieser Entwicklung fordert Kröger. “Um dieser leidvollen und kostenintensiven Entwicklung entgegen zu steuern, benötigen wir einen Beauftragten der Bundesregierung für Diabetes und Adipositas“. Sein Wort in Gottes Ohr. Denn die Politik ist taub dafür.

Die Politik scheint die Bekämpfung der Adipositas in ihrem eigenen Umfeld seit Jahren geradezu zu sabotieren. Nur ein Beispiel:  Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit hat Personal, Mittel und Aktivitäten im Aufgabenbereich Adipositas bei Kindern in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgefahren. Von der früheren Abteilung der BZgA, deren Aufgabe die Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen zur Prävention und Therapie der Adipositas bei Kindern war, ist nichts mehr geblieben. Das neue Präventionsgesetz gibt der BZgA eine zentrale Rolle in der gesundheitlichen Vorsorge – und damit verbunden viele zusätzliche Millionen. Die werden nun an vielen wichtigen Brennpunkten eingesetzt. Einer der wichtigsten – die Prävention der Adipositas – wird anscheinend komplett ignoriert.

Statt nun – wie es Kröger fordert – einen Beauftragten als neue Figur ohne Kompetenzen zu installieren, sollte Herr Gröhe als derzeit oberster Dienstherr der BZgA besser seine Behörde anweisen, mehr Geld, Manpower und Aktivitäten in die Prävention und Therapie der Adipositas zu investieren. Eine Maßnahme, die nicht mehr als ein ministerielles Machtwort kosten würde. Ein solches hat – von der Öffentlichkeit unbemerkt – schließlich auch dazu geführt, dass sich die BZgA inzwischen überhaupt nicht mehr um die Adipositas kümmert. Die Bekämpfung der Adipositas braucht keine weiteren Reden mehr, sie braucht Taten – und die nötigen Mittel dafür.